Fremdvergleich beim Steuerabzug: BVerfG kippt Vertragsanforderung
- Patricia Lederer
- 11. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Unternehmen obsiegt im „David gegen Goliath“-Fall gegen das Finanzamt

Frankfurt am Main
11. August 2025
Bundesverfassungsgericht entscheidet zugunsten der Steuerzahler. Mit dem am 7. Juli 2025 veröffentlichten Beschluss 2 BvR 172/24 hat das BVerfG entschieden: Das Fehlen eines schriftlichen Vertrags oder einer Rechnung führt nicht automatisch zum Verlust des Betriebsausgabenabzugs. Die Entscheidung zum Steuerabzug beim Fremdvergleich sorgt aktuell für Klarheit im Steuerrecht.
Was war passiert?
Ein Sägewerk aus Thüringen, organisiert in zwei eng verbundenen Firmen (eine kauft Holz ein, die andere verarbeitet es), errichtete ein neues Werk. Beim Bau entstanden über 4 Millionen Euro Mehrkosten, die von einer Gesellschaft an die andere gezahlt wurden – ohne schriftlichen Vertrag oder Rechnung.
Das Finanzamt akzeptierte diese Ausgaben zunächst, strich sie aber später nach einer Betriebsprüfung mit Verweis auf den fehlenden Steuerabzug nach den Grundsätzen zum Fremdvergleich: Bei nahestehenden Personen oder Gesellschaften müsse alles so ablaufen, wie es unter fremden Dritten üblich sei – und dazu gehörten nach Ansicht der Prüfer zwingend Verträge und Rechnungen.
Gang durch die Instanzen
Finanzgericht Thüringen: bestätigte die Sicht des Finanzamts
Bundesfinanzhof (BFH): ebenfalls Ablehnung des Betriebsausgabenabzugs
BVerfG: Annahme der Verfassungsbeschwerde und Grundsatzentscheidung zugunsten des Unternehmens
Die Entscheidung des BVerfG
Die Karlsruher Richter prüften zunächst § 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG), der für alle Steuerpflichtigen gilt – auch über das Körperschaftsteuergesetz für Kapitalgesellschaften. Dort steht klar:
„Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.“
Eine Pflicht zu Schriftform oder Rechnung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Auch aus der ständigen Rechtsprechung zum Steuerabzug Fremdvergleich ergibt sich keine solche starre Formvorgabe.
Kernaussage des BVerfG:Das Finanzgericht habe die Schriftform zu einem zusätzlichen Tatbestandsmerkmal erhoben, das im Gesetz nicht steht – und damit in „schlechterdings unhaltbarer Weise“ gegen die Rechtsprechung des BVerfG verstoßen.
Bedeutung für Unternehmen und Selbstständige
Das Urteil stärkt Steuerpflichtige, deren Betriebsausgaben vom Finanzamt mit rein formalen Begründungen abgelehnt werden.Wesentliche Punkte:
Kosten müssen betrieblich veranlasst und nachweislich angefallen sein
Schriftliche Verträge oder Rechnungen können helfen, sind aber keine zwingende gesetzliche Voraussetzung
Der Fremdvergleich bleibt bestehen – aber ohne überzogene formale Anforderungen
Praxistipp von TaxPro
Wer Post vom Finanzamt bekommt, in der Ausgaben wegen angeblich fehlender Formvorgaben gestrichen werden, sollte:
Einspruch einlegen – form- und fristgerecht
Belege und Zahlungsnachweise vorlegen
Fundstellen im Bescheid prüfen – passen sie wirklich zum Sachverhalt?
Urteil 2 BvR 172/24 als Argumentationshilfe nutzen
Fazit
Der Beschluss des BVerfG ist ein wichtiges Signal: Substanz vor Formalien. Wenn betriebliche Kosten tatsächlich angefallen und bezahlt sind, dürfen sie nicht allein wegen fehlender Vertrags- oder Rechnungsdokumente aberkannt werden. Das stärkt Unternehmer:innen und Selbstständige im Streit mit dem Finanzamt – besonders bei Betriebsprüfungen.
Quelle: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27.05.2025 – 2 BvR 172/24 (veröffentlicht am 07.07.2025)
Noch mehr Informationen zum Thema im aktuellen Youtube Video auf dem TaxPro Kanal. Reinschauen lohnt sich!
Weiterführende Links: