Der Bundesfinanzhof spricht Klartext: Das Finanzamt muss die Grundrechte der Steuerpflichtigen strikt achten.
Bundesfinanzhof
17. Oktober 2022
Was passiert wenn die Steuerfahndung vor der Tür steht? Dürfen die Beamten das Homeoffice ohne vorherige Ankündigung kontrollieren?
Nein, sagt der Bundesfinanzhof in seinem neuen Urteil.
Wenn das Finanzamt Fragen zum Homeoffice hat, darf es nicht plötzlich und ohne Ankündigung die Steuerfahndung vorbeischicken. Dies greift in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung ein, wie der Bundesfinanzhof in seinem am 29. September 2022 veröffentlichten Urteil entschieden hat (Aktenzeichen: VIII R 8/19).
Das Gericht gab damit einer selbständigen Unternehmensberaterin aus Westfalen Recht. Die Frau hatte erstmals für das Steuerjahr 2015 Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer von der Steuer absetzen wollen. Dabei ging es um eine Summe von 567,12 Euro. Auf Nachfrage des Finanzamts reichte sie eine Wohnungsskizze ein. Darin war für ein Zimmer die Bezeichnung "Schlafen" durchgestrichen und darunter die Bezeichnung "Arbeit" eingefügt. Auf der Skizze war allerdings kein (weiteres) Schlafzimmer verzeichnet.
Das Finanzamt sah hier Klärungsbedarf. Denn wo sollte die Frau nun schlafen? Um das aufzuklären schickte das Finanzamt ohne Ankündigung einen sogenannten Flankenschutzprüfer der Steuerfahndung vorbei. Dabei zeigte sich, dass die Wohnung zwei weitere, in der Skizze nicht aufgeführte Zimmer hatte. Eines davon war das Schlafzimmer.
Die Unternehmensberaterin erhob daraufhin Einspruch gegen die Ortsbesichtigung durch die Steuerfahndung. Sie wollte festgestellt wissen, dass die Ortsbesichtigung rechtswidrig war. Anders als das Finanzamt und das Finanzgericht in erster Instanz gab der Bundesfinanzhof der Klägerin Recht. Die oberste Instanz in Steuersachen stellte ausdrücklich fest:
Das Finanzamt muss das mildeste Mittel wählen. Das gebietet das Prinzip der Verhältnismäßigkeit.
Vor allem hat das Finanzamt die Grundrechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung und auf rechtliches Gehör zu wahren.
Das Gehör ist verletzt, weil die Unternehmensberaterin keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, bevor die Steuerfahndung vor ihrer Tür stand.
Erschwerend kommt die Rufschädigung hinzu. Denn beim Besuch der Steuerfahndung könnten Nachbarn den Eindruck haben, gegen die Unternehmensberaterin würden strafrechtliche Ermittlungen geführt.
Der Bundesfinanzhof bestätigt daher, dass die Ortsbesichtigung der Steuerfahndung rechtswidrig war. Dieses Urteil bildet die Grundlage für den anschließenden Schadenersatzprozess gegen das Finanzamt.
Was also können Betroffene tun wenn die Steuerfahndung plötzlich vor der Tür steht? Der Druck, die Beamten unangekündigt in die Wohnung zu lassen, ist groß. Betroffene können sich jedoch wehren und die Ortsbesichtigung anfechten. Das probate Rechtsmittel hierfür ist der Einspruch. Der schriftliche Einspruch beim Finanzamt ist formal die Voraussetzung um später auf Schadenersatz klagen zu können.
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