Kurzarbeit, Soforthilfen, Darlehen – die Folgen der Corona-Krise sollen mit vielen Mitteln abgemildert werden. Doch der Tag der Abrechnung kommt mit dem Steuerbescheid.
Die Zeit Online
04. Mai 2020
Das Bild lässt keinen Zweifel, hier stellt man sich auf einen Schlagabtausch ein:
Die Frankfurter Steueranwältin Patricia Lederer hat die Boxhandschuhe prominent auf ihrer Website platziert. Bei ihren YouTube-Vorträgen hängen sie ebenfalls gut sichtbar hinter ihr im Regal. „Das ist unser Markenzeichen“, sagt Lederer. Ihre Kanzlei vertritt vor allem kleine und mittelständische Betriebe mit drei bis wenigen Hundert Beschäftigten.
In der Corona-Krise erwartet sie nachträgliche Kämpfe um unbürokratisch bewilligte Subventionen. Auf der anderen Seite machen sich auch die Mitarbeiter der Finanzämter warm. Obgleich milliardenschwere Rettungsprogramme von Bund und Ländern die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zumindest mildern sollen, steht schon jetzt fest: Spätestens mit dem Steuerbescheid für 2020 wird es manches böse Erwachen geben. Sogar das steuerfrei ausbezahlte Kurzarbeitergeld ist davon nicht ausgenommen.
„Kulanz und Finanzamt sind zwei sich ausschließende Wörter“, warnt Lederer.
Jeder von der Corona-Krise betroffene Steuerzahler könne zwar derzeit Stundungen oder Senkungen für zu leistende Vorauszahlungen beantragen. Die Vollstreckung von Bescheiden aus früheren Jahren werde derzeit aber nicht von allen Finanzämtern gestoppt: „Das Bundesfinanzministerium hat dazu nur eine Soll-Vorschrift erlassen. Das wird von Amt zu Amt und manchmal sogar innerhalb des Amtes von Abteilung zu Abteilung unterschiedlich gehandhabt.“ Für Steuerprüfungen gebe es derzeit gar keine Vorgabe.
Während bei der von einer Pleite bedrohten Lufthansa hart um die Bedingungen für eine Staatshilfe verhandelt wird und selbst ein Scheitern nicht ausgeschlossen ist, kommt Unterstützung für Selbstständige und mittelständische Betriebe häufig beinahe über Nacht. Heute beantragt, womöglich morgen schon auf dem Konto – für viele Unternehmen, die um ihre Existenz fürchten, eine große Erleichterung. Erst einmal.
Denn so schnell und unbürokratisch die Unterstützung für zunächst drei Monate auch bewilligt wird, hat sie doch mehrere Haken. Zum einen ist sie lediglich für akute Liquiditätsengpässe gedacht. Grob gesagt: wenn die Einnahmen nicht ausreichen, die Kosten für die nächsten Monate zu decken. Zum anderen ist sie nur für Betriebskosten vorgesehen. Miete, Strom und Telefon für das Büro oder eine Werkstatt dürfen damit bestritten werden, nicht aber entsprechende Aufwendungen für die eigene Wohnung. Löhne der Mitarbeiter dürfen damit bezahlt werden, nicht jedoch der Einkauf von Lebensmitteln für den privaten Konsum. Das ist besonders für alle Solo-Selbstständigen ein Problem, die häufig von zu Hause aus arbeiten.
„Da wurde versäumt, richtig aufzuklären“
Auf einigen Internetseiten der Bundesländer waren diese Bedingungen in den ersten Tagen nicht deutlich genug formuliert, vielleicht auch in der optimistischen Annahme, das zur Verfügung stehende Geld werde für alle Bereiche reichen. Inzwischen wurden die Informationen aber präzisiert. Wer fürchtet, seine persönlichen Lebenshaltungskosten nicht mehr bestreiten zu können, kann Grundsicherung beantragen. Also Hartz IV, die bisher übliche Vermögensprüfung wurde dafür aufgegeben. Trotzdem empfinden den Schritt zum Amt viele als entwürdigend. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder macht deshalb etwa für Kunstschaffende 3.000 Euro extra locker.
„Da wurde versäumt, richtig aufzuklären“, kritisiert Thomas Eigenthaler. Er ist Chef der Deutschen Steuergewerkschaft und vertritt rund 110.000 Beschäftigte in den 600 deutschen Finanzämtern. Seiner Meinung nach sollte niemand aus Unsicherheit die am 31. Mai auslaufende Antragsfrist für die Zuschüsse verstreichen lassen. Doch wer als Solo-Selbstständiger oder Unternehmer mit bis zu fünf Mitarbeitern 9.000 Euro erhält beziehungsweise als kleiner Mittelständler 15.000 Euro, sollte die Summe im Zweifelsfall lieber beiseitelegen: „Ich kann den Betroffenen nur raten, zumindest jetzt sparsam mit dieser Soforthilfe umzugehen“, sagt Eigenthaler. „Es droht ihnen, dass sie sie wieder zurückzahlen müssen. Sollte sich herausstellen, dass vorsätzlich falsche Angaben gemacht wurden, droht sogar ein Strafverfahren wegen Subventionsbetrugs.“ Das kann Geldstrafen oder bis zu fünf Jahre Gefängnis bedeuten.
„Bei eindeutigen Fällen ohne Existenznöte raten wir zu einer Rückzahlung“, sagt der Steuerberater Jan Brumbauer vom Beratungsunternehmen Ecovis, das auf den Mittelstand spezialisiert ist. „Die Alternative zur freiwilligen Rückzahlung ist keine schöne. Der Staat fordert das Geld, wahrscheinlich plus Zinsen, zurück. Bei erkennbar höherer Kriminalität schließen wir selbst eine Strafverfolgung nicht aus“, warnt auch Brumbauer.
Selbst wenn alles mit rechten Dingen zugeht, sind die Soforthilfen kein Geschenk. Sie werden zwar im Laufe des Steuerjahrs 2020 nicht zur Berechnung der – auf Antrag derzeit ohnehin häufig ausgesetzten – Steuervorauszahlungen herangezogen. Doch die Zuschüsse müssen bei der nächsten Steuererklärung angegeben werden. Wurde ein Gewinn erwirtschaftet, sind sie auch zu versteuern. Also 2021 oder spätestens zu Beginn des Jahres 2022.
Nicht alle Bewilligungsstellen geben den Finanzämtern dafür gleich die notwendigen Informationen an die Hand. Hessen zum Beispiel tut es.
Um Soforthilfe zu erhalten, müsse der Antragsteller dort sein „eigenes Todesurteil unterschreiben“, wie es Anwältin Lederer drastisch ausdrückt.
Wer kein Häkchen hinter die Aufhebung des Steuer- und Bankgeheimnisses setze, könne das Onlinedokument gar nicht abschicken.
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