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  • AutorenbildPatricia Lederer

Muss der Geschäftsführer alles wissen?

Neues Urteil zur Geschäftsführer Haftung: Haftet jeder Geschäftsführer für den anderen? Oder jeder einzeln für seinen Verantwortungsbereich?



Finanzgericht Münster

27. Oktober 2020

 

Wenn Unternehmer die Firma gemeinsam führen, müssen sie dann wirklich immer alles wissen? Dürfen die Geschäftsführer bestimmen, wer für welchen Unternehmensbereich zuständig und verantwortlich ist?


Das Finanzamt mischt sich da gerne ein und nimmt alle Chefs und Selbständigen in die gemeinsame Haftung. Dieses Behördenhandeln hat ein betroffener Unternehmer vor das Finanzgericht gebracht.


Hintergrund ist das steuerliche Haftungsrecht. Hier gilt das Prinzip der Allzuständigkeit und der Generalverantwortlichkeit.


Bei mehrköpfiger Geschäftsführung lässt sich das abweichend regeln. Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung sind dabei die Instrumente. Müssen die Beteiligten das schriftlich fixieren? Oder reicht die mündliche Vereinbarung aus?


Hier prallen Zivilrecht und Steuerrecht aufeinander:


Im Zivilrecht verneint der Bundesgerichtshof das Schriftformerfordernis. Erforderlich sei allein die

„klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben auf Grund einer von allen Mitgliedern des Organs mitgetragenen Aufgabenzuweisung, die die vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch hierfür fachlich und persönlich geeignete Personen sicherstellt und ungeachtet der Ressortzuständigkeit eines einzelnen Geschäftsführers die Zuständigkeit des Gesamtorgans insbesondere für nicht delegierbare Angelegenheiten der Geschäftsführung wahrt. Eine diesen Anforderungen genügende Aufgabenzuweisung bedarf nicht zwingend einer schriftlichen Dokumentation.“

Vgl. BGH vom 06.11.2018 - II ZR 11/17.


Im Steuerrecht besteht der Bundesfinanzhof demgegenüber auf dem Schriftformerfordernis. Die Geschäftsverteilung und die Aufgabenzuweisungen seien schriftlich festzulegen. Die Aufgabenverteilung müsse intern und grundsätzlich vor Aufnahme der Tätigkeit des gesetzlichen Vertreters oder Verfügungsberechtigten klar und eindeutig festgelegt worden sein. Nur dann entfalte die Geschäftsverteilung haftungsbegrenzende Wirkung.

Vgl. BFH vom 31.10.2005 - VII B 57/05, VII B 231/98; BFH vom 26.04.1984 - V R 178/79.


Diese steuerrechtliche Einschätzung hat das Finanzgericht Münster zuletzt bestätigt. Demnach muss die Geschäftsverteilung schriftlich und von vornherein eindeutig geregelt sein.

Vgl. FG Münster vom 30.04.2019 – 12 K 620/15.


Dies gilt insbesondere für den Fall, dass einer der Geschäftsführer nach der internen Aufgabenverteilung nicht für die Steuerangelegenheiten zuständig ist und im steuer-(straf) rechtlichen Bereich eine Haftungsbegrenzung für sich reklamiert.


Allerdings ist in dem entschiedenen Fall Revision bei dem Bundesfinanzhof eingelegt (VII R 23/19). Hier wird die Fortentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beobachten sein.


Im Ergebnis ist entscheidend, dass die Schriftform für Geschäftsverteilungen und Ressortaufteilungen im Steuerrecht zwingend notwendig ist. Andernfalls droht im steuerrechtlichen Konfliktfall ein Haftungsbescheid des Finanzamts gegenüber sämtlichen Geschäftsführern gemäß § 191 Abs. 1 Abgabenordnung in Verbindung mit § 69 Abgabenordnung.


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